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Interview: Beleuchtungs­statisterie

Jochen ist 90 Jahre alt und Beleuchtungsstatist am Theater. Was er dort macht und wieso ihm die Tätigkeit so gut gefällt, berichtet er hier.

Durch diese Tätigkeit haben wir uns kennen- und schätzen gelernt

Lieber Jochen, können Sie sich einmal vorstellen?

Meine Name ist Joachim Walger, gerufen Jochen. Ich bin dieses Jahr 90 Jahre alt geworden, fühle mich aber körperlich und geistig noch fit. Das Körperliche ist nicht mehr ganz wie es war, weshalb ich auf der Bühne auch nicht mehr so gerne Treppen und Leitern hochgehe. Aber Stehen geht noch prima.


Wie sind Sie hier Beleuchtungsstatist geworden?

Zu meiner Tätigkeit am Theater bin ich über meine Tochter Anke gekommen. Die fragte eines Tages, ob ich nicht auch mal hier helfen will. Ich kannte Theater bis dahin nur aus dem Zuschauerraum, das war sehr schön. Aber wie es dahinter aussieht, davon hatte ich nicht den Schimmer einer Ahnung. Von Beruf bin ich Maschinenbautechniker. Theater war für mich schön, hinzugehen – aber auf der Bühne zu stehen und in die andere Richtung zu gucken, das war neu für mich, und hochinteressant.

So bin ich hier reingekommen und habe festgestellt: Das macht unwahrscheinlich viel Spaß. Man lernt nette Leute kennen, auch die Bühnenarbeiter. Mit denen bin ich inzwischen so warm geworden, dass ich mich ihnen verbunden fühle.


Was genau macht man als Beleuchtungsstatist, wie funktioniert das?

Durch meine Tätigkeit als Beleuchtungsstatist habe ich erfahren, was zu einer Produktion alles dazugehört. Es wird um jede Kleinigkeit gefeilscht, es wird viel probiert, und der Beleuchtungsmeister muss alles genau einstellen.

Wir Statisten bekommen von Andrea Wittler (sozusagen unsere Managerin) die Info, wann die Leuchttermine sind, und wenn wir Zeit haben, melden wir uns. Sie bekommt vom Theater die Anforderungen. Und als Rentner hab ich sowieso mehr Zeit. Auch mal für die Abendschichten von 20-22:45 Uhr oder vormittags, wenn Berufstätige nicht können.

Dann gehen wir auf die Bühne – wir leuchten immer zu zweit – stellen uns auf und bekommen Anweisungen, die uns aus dem Zuschauerraum zugerufen werden (wo Regisseur, Beleuchtungsmeister etc. sitzen). Mal hierhin stellen, mal dahin, umdrehen, zwischendurch Pause. Wir wissen hinterher immer gar nicht mehr jede Stelle. Und wenn man sich dann ein Theaterstück anguckt, sieht man das von der anderen Seite, aus dem Zuschauerraum, und denkt sich: »Ach guck mal, da habe ich gestanden. Darum musste ich das so machen.«

Eine normale Schicht dauert meistens 3 Stunden, mit Pausen. Manchmal auch weniger.


Was mögen Sie besonders an der Tätigkeit?

Ganz einfach gesprochen: Man kommt unter Leute. Viele Rentner sitzen rum – auf der Parkbank und sehen zu, wie die Tulpen wachsen, oder bei sich am Fenster und schreiben Falschparker auf – aber so komme ich unter neue Leute, die man noch nie gesehen hat und so nicht getroffen hätte. Man nimmt noch richtig am Leben teil. Und man ist körperlich noch in Bewegung. Alleine hier zu sein, Leute kennenzulernen, das macht Spaß. Manchmal dürfen wir auch in eine Generalprobe gehen. Aber ich sage immer: Ich geh viel lieber in die Premiere. Die Atmosphäre ist da eine ganz andere.


Wie lange machen Sie das jetzt schon?

Ich mache das jetzt seit 9 Jahren. Hier habe ich auch Gerlinde kennengelernt. Wir sind beide zuvor verwitwet und irgendwie hat sich das so ergeben. Wirklich ganz ohne zu suchen, haben wir festgestellt, dass wir uns mögen. Jeder wohnt für sich, aber wir aber wir haben viel Kontakt und unternehmen in unserer Freizeit viel gemeinsam. Durch diese Beleuchtungstätigkeit haben wir uns kennen- und schätzen gelernt. Das ist das Bunte, das Schöne an meiner Tätigkeit hier im Haus.

Eine schöne Begebenheit: Ich weiß nicht mehr für welches Stück das war, aber wir saßen bei der Beleuchtungstätigkeit auf einer Bank nebeneinander. Nadja Loschky (Anm.: Intendantin und Opernregisseurin) hat uns aus dem Zuschauerraum fotografiert und uns das Bild zugeschickt. Einige andere hatten natürlich da schon was gemerkt und Nadja danach erzählt: »Die sind zusammen.« Das wusste sie gar nicht. Es hatte sich dann rumgesprochen. Wir harmonieren sehr gut miteinander und das verdanken wir dem Theater. Das ist wirklich das Tüpfelchen auf dem I.


An welchem Stück waren Sie zuletzt beteiligt?

Das war für INNEN·LEBEN, dafür hab ich mich gemeldet. Da habe ich mit Ulrich geleuchtet; er macht dann die Sachen oben, klettert hoch, und ich bleib unten auf der Bühne. Da achtet er auch schon drauf, so wie viele Kolleginnen und Kollegen. Das ist eine wunderschöne Harmonie mit jedem.

Für mich ist diese Tätigkeit ein ganz neues Erlebnis. Das Theater von der anderen Seite zu sehen, was sich hinter der Bühne abspielt. Es kam in der Vergangenheit auch schon vor, dass ich zweimal mitmachen durfte. Als Statist mit einer stummen Rolle. Bei Hänsel und Gretel und bei Der unaufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui. Da hatte ich auch mal die Gelegenheit, in der Maske zu sitzen und Kostüm zu tragen. Und beim Theaterfest haben wir auch schon geholfen, draußen Luftballons verteilt und Werbung fürs Theater gemacht. Das war großartig. Das war auch wieder ein Erlebnis. Ich komme einfach gerne hierher.

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